Der erste Eindruck vom Spiel, hat gemischte Gefühle hinterlassen. Vielleicht könnte man es mit einer Schachtel Pralinen vergleichen - Wunderschön verpackt, siehst du sie handgefertigt in der Auslage eines Konditors liegen. Sie sind teuer aber dennoch bist du dir sicher, es wird ein süßer, schokoladiger Gaumenschmaus, der jeden Euro wert ist. Endlich ausgepackt, freust du dich wie ein kleines Kind auf das Geschmackserlebnis.

Doch ein Biss bringt dir nicht nur die Süße, sondern auch etwas Herbes und Bitteres... es ist Cognac. Alkohol, der deiner Meinung nach, nichts in der Praline zu suchen hat. Du schaust mit immer größer werdenden Enttäuschung auf die Schachtel und hoffst darauf, dass das nächste, aus der Mitte herausgenommene Schokoladenstück, nicht den gleichen Inhalt hat. Ungläubig isst du eine Weitere - bitterer Alkohol, verdammte Cognacpralinen.

Am Ende lässt dich die Pralinenschachtel einfach nur verunsichert zurück. Vielleicht bist du es, der einfach nichts vom edlen Geschmack eines guten Cognacs versteht?!

Positives:

• Schöne Grafik, die während des Spiels mit einem verwaschenen Effekt an den Sichträndern des Monitors daherkommt. Stört nicht und passt zum Stil.
  
  
• Die Cutscenes, nicht viele an der Zahl, sind graphisch sehr gut gemacht und von der Länge angemessen. Vor allem der flüssige Übergang, von Cutscene zum Gameplay, ist gut gelungen.
  
  
• Der Sound, wie schon im ersten Teil, ist ein Erlebnis für sich. Besonders mit den Klängen von "Heilung" und der Stimme von Eivør Pálsdóttir.
  
  
• Die Immersion, man befände sich in der brutalen und gnadenlosen Welt der Wikinger und ihrer Götter, ist vorhanden.

Negatives:

• Nach einer beeindruckenden ersten Stunde, verfällt das Spiel in einen Trott, spielerisch und erzählerisch. Das Szenario hinter unserer Reise, wird ziemlich flach gehalten und man kann sich zu keiner Zeit in die Geschichte vertiefen, da Interaktionen mit den anderen Charakteren fehlen und so ziemlich alles, dies betreffend, gescriptet ist.
  
  
• Sich bis ins Detail ähnelnden Kämpfe (bis auf ein paar Gegnereigenschaften, die man aber sofort überwindet), die weder Charakterbildend sind, noch irgendetwas über die Feinde verraten, nicht mehr als ein Quick-Time-Event (Man bedenke, wir treffen unter anderem auf den Kult, der Senuas geliebten Dillion tötete. Dieser Stamm wird später im Verlauf lediglich mit einigen Sätzen beschrieben).
  
  
• Senuas Ängste und Unsicherheiten, die man eigentlich schon im ersten Teil hinter sich gebracht zu haben glaubte, verfolgen sie wieder das ganze Spiel.
  
  
• Senuas endlos labernden, inneren Stimmen, die lauter sind als die anderen Charaktere, welche dir im Dialog versuchen etwas zu erklären/erzählen. Man hat einfach die Schwierigkeit sie in einigen Passagen des Spiels akustisch zu verstehen.
  
  
• Wie auch die Kämpfe, sind die Quests ohne viel Mühe, Schwierigkeitsgrade und Fantasie gestaltet. Hier wäre definitiv passend zu sagen: "Alles Neue ist nur gut vergessenes Altes".
  
  
• Wenig Inhalt für diesen stolzen Preis! 10 Stunden maximal dauert dieser Spaß, bei dem ihr jeden Winkel dieser Insel erkundet, und noch ein paar Screenshots für die Erinnerung geschossen habt.
  
  
• Ein Gedanke, der mich das ganze Spiel verfolgt hat: Wenn ich mich richtig erinnere, hatte Senua im ersten Teil mit ihrer Schizophrenie zu kämpfen. Wir als Zuschauer gingen mit auf die Reise durch ihre innere Hölle, um Ängste, Kummer, Zweifel an sich selbst, Hass usw. zu bezwingen. Meiner Auffassung nach war aber das Wichtigste - alles Übernatürliche hat sich nur in ihrem Kopf abgespielt! Es waren ihre inneren Monster und Dämonen, denen sie sich stellen musste um weiterleben zu können.
  
  Viel interessanter ist diese Aussage von den Entwicklern selbst: "Es soll eine Leidensgeschichte sein, wobei die Fantasiewelt nur im Kopf der Protagonistin existiert. Ihre besonders schweren psychotischen Störungen stehen dabei im Mittelpunkt des Spieles." Jetzt in Hellblade 2, treffen wir auf Riesen, magische Fabelwesen... Sie sind dennoch Realität, da sie materiell die Wirklichkeit beeinflussen können, obwohl es am Ende infrage gestellt wird. Wären da nicht die anderen Charaktere, die ja real sind und in den Kampf mit den Riesen eingreifen (bestes Beispiel - der Kampf am Strand), würde der finale Akt logischer für mich erscheinen. Und so wird am Ende eine Geisteskrankheit, zum "Auserwählt sein" ernannt. Eine derartige Fortsetzung finde ich persönlich aus einigen Gründen unpassend.
  
  Mir ist natürlich das Bemühen der Entwickler bewusst, gerade in diese Kerbe zu schlagen - Mythologie/Realität, um das Spiel für uns interessanter zu machen. Doch wenn wir bei dem eigenen Kerngedanken der Entwickler blieben, hätten m.M.n. Senuas Begleiter sich am Ende als imaginär entpuppen müssen, wäre schlüssiger.

Fazit:

Letztendlich ist es für mich nur ein mittelmäßiges Spiel geworden. Ich habe nicht erwartet ein Meisterwerk vorzufinden (graphisch ist es ein Meisterwerk ohne Zweifel), aber nach dem ersten Teil hoffte ich doch auf eine sehr gute Fortsetzung, da ich annahm, man hätte dieses Mal ein größeres Budget. Das ganze ist wohl in die graphische Komponente gewandert, nicht die inhaltliche.

Ist es wert gespielt zu werden? Ich denke ja. Aber eher wieder als ein einmaliges, filmisches Erlebnis und man, so wie ich, die Fortsetzung des ersten Teils sehen möchte. Aber definitiv nicht zu diesem Preis! Wartet auf einen satten Rabatt.